Divina Proportio Typographica
Konstruktionsmethode zur Flächenaufteilung von Bücher-, Zeitschrift- oder Zeitungsseiten
Form und Gestaltung des Buches sind stark von Konventionen geprägt. Das beste Beispiel der Übereinkunft in der Typographie ist die Forderung nach Lesbarkeit, die erst aus Geschriebenem ein Buch macht. Auch die Proportion der Seiten, die Unterteilung in Druckflächen und leere Flächen sind traditionell gewählte Gestaltungselemente.
Raúl Rosarivo untersuchte Drucke des 15. Jahrhunderts, frühe Arbeiten der Buchkunst, auf ihre Harmonie in den Maßen und Verhältnissen und leitete aus diesen Forschungen die „Divina Proportio Typographica“ ab, die er 1947 veröffentlichte. Er bestimmte 1,5 als gestalterischen Grundwert. Dieser sollte sich von der typometrisch etablierten Einheit Cicero (12pt) entwickeln lassen.
Das passende Seitenverhältnis fand er bei 2:3, welches bereits Gutenberg für seine Bibeldrucke anwandte und einem Verhältnis zweier benachbarter Fibonacci-Zahlen entspricht. Die harmonische Beziehung von zwei Rechtecken, Satzspiegel und Seitenformat, galt es nun in dieses Verhältnis mit der Grundzahl 1,5 zu setzen. Hierfür sind „die zwölfgeteilte Seitenaufteilung“ und „die klassische Aufteilung der Hauptdiagonale“ einer Buchseite in neun Teile entstanden, die sich mit Arbeiten von Gutenberg oder dem Catholicon deckten. Andere Formate oder Unterteilungen sind nach dem selben Prinzip möglich, um die Stellung des Satzspiegels oder auch die Schrifthöhe in ein harmonisches Verhältnis zum Seitenblatt zu setzen.
Konstruktion der zwölfgeteilten Seite :
Auf der Geraden AB wird die in 12-geteilte Senkrechte AC errichtet. Mit einem Kreisbogen im Radius von 8 Teilen wird vom Zentrum A der Punkt B und vom Zentrum C der Punkt D konstruiert. Das Rechteck ABCD ist im Verhältnis 2:3, seine Diagonale trifft in Punkt F den Kreisbogen des Zentrums C mit dem Radius CA. Punkt E entsteht durch Übertragung eines Zwölftels auf die Diagonale. Der Satzspiegel ergibt sich aus den Eckpunkten E und F.
Ergebnis: Seitenformat: 8:12 / Satzspiegel: 6:9 / Seitenstege: 2:3:4:6
Konstruktion der klassischen, neunteiligen Seite:
Teilung der Diagonalen des Rechtecks ABCD in neun Teile:
Ein Neuntel für Bund- und Kopfsteg, zwei Neuntel für Fuß- und Außensteg. Bei einem Seitenformat von 36×54 Cicero, Satzspiegel: 24×36 Cicero und einer 12-Punkt-Type entsteht nach Rosarivo eine harmonische Konstruktion im Modul 1,5 für alle Elemente der Buchgestaltung. In Punkt 3 treffen die „Goldenen Linien“.
Das Rechteck im Format 2:3
Die Schwenkung eines Kreisdurchmessers erzeugt ein Rechteck im Seitenverhältnis 2 zu 3.
Tschicholds Goldener Kanon der Buchseiteneinteilung
Auch Jan Tschichold erarbeitete 1953 einen Goldenen Kanon, den er durch Nachmessen von spätgotischen Buchseiten entwickelte. Bei einem Seitenverhältnis von 2:3 und einer Neunteilung von Seitenhöhe und Breite ergaben sich die selben Verhältnisse wie bei Rosarivo:
Die Höhe der Schriftfläche ist gleich der Blattbreite, die Randverhältnisse verteilen sich zu 2:3:4:6. Mit Anwendung der Villardschen Figur erklärte Tschichold auch andere Seitenverhältnisse und Aufteilungen im selben Sinne als harmonisch konstruierbar.